Schulden erben: Das sind Ihre Möglichkeiten
Wer zahlt im Todesfall den gemeinsamen Kredit ab? Wer zahlt die Schulden, wenn der Ehepartner gestorben ist? 📮 Infos & Möglichkeiten
16 Min. Lesezeit | Persönliche Finanzen
In Deutschland werden jedes Jahr riesige Geldsummen vererbt, wodurch die Existenz vieler Familien gesichert wird. Laut Zahlen des Statistischen Bundesamtes waren es im Jahr 2022 sogar 101,4 Milliarden Euro.
Was für viele Menschen trotz der Trauer um den Angehörigen ein finanzieller Segen ist, kann sich für einige als Sorge entpuppen. Denn: Wie sieht es aus, wenn die Hinterbliebenen Schulden erben - und ist das überhaupt möglich?
Diese haben bei einer Überschuldung des Nachlasses die Möglichkeit, das Erbe auszuschlagen, also das Erbe abzulehnen, wofür sechs Wochen Zeit sind. Alternativ lässt sich mit einer Nachlassverwaltung die Haftung begrenzen.
Das kann in vielen Situationen, die wir in diesem Beitrag erläutern, sinnvoll sein. Wer sich jedoch dazu entscheidet, zu erben, der erbt alles.
Welche Schulden sind nicht vererbbar?
Die Erben stellen sich möglicherweise die Frage danach, ob es gewisse Schulden gibt, die nicht vererbbar sind. Leider sind grundsätzlich alle Schulden des Verstorbenen Teil der Erbschaft.
Diese setzen sich aus zwei verschiedenen Kostenpunkten zusammen:
1. Erblasserschulden
Dazu gehören Verbindlichkeiten, die zu Lebzeiten angefallen sind. Das sind zum Beispiel Steuerschulden, Schadensersatzansprüche, Verpflichtungen aus Kauf- und Mietverträgen sowie Kredite. Das Darlehen erlischt im Todesfall somit nicht.
2. Erbfallschulden
Das sind Kosten, die nach dem Tod des Verstorbenen anfallen. Dazu gehören zum Beispiel die Kosten der Beerdigung, Auflagen, die Erbschaftssteuer sowie Kosten, die eventuell anfallen.
Es besteht für Erben nicht die Möglichkeit einer gezielten Erbausschlagung oder auf gewisse Schulden zu verzichten. Somit sind alle Schulden vererbbar.
Schulden erben: Welche Möglichkeiten haben Hinterbliebene?
Wenn Sie Schulden erben, haben Sie glücklicherweise Handlungsspielraum. So sind Sie nicht gezwungen, das Erbe anzunehmen.
1. Erbe ausschlagen
Wenn die Hinterlassenschaften des Verstorbenen hauptsächlich aus Schulden bestehen, kann es sich ebenfalls lohnen, das Erbe auszuschlagen.
Sie haben ab dem Zeitpunkt, an dem Sie von der Erbschaft erfahren haben, sechs Wochen Zeit, um das Erbe auszuschlagen - andernfalls wird das Erbe als angenommen betrachtet.
Es ist nur in den seltensten Fällen möglich, das Erbe nachträglich auszuschlagen.
Es muss eine ausdrückliche Erklärung der Erbausschlagung erfolgen. Entweder im Amtsgericht, in dem der Verstorbene seinen letzten Wohnsitz hatte, oder im Amtsgericht, wo Sie als Erbe Ihren Wohnsitz haben.
Die schriftliche Erklärung muss von Ihnen unterschrieben und von einem Notar beglaubigt werden.Wenn Sie also wissen, dass Ihnen Schulden vererbt worden sind, sollten Sie schnellstmöglich handeln, damit Sie nicht mit Ihrem Vermögen für die Schulden der verstorbenen Person haften.
Kosten der Erbausschlagung
Für die Erbausschlagung fällt eine Pauschalgebühr in Höhe von 30 Euro an. Im Folgenden finden Sie ein Muster, das Sie lediglich ausfüllen, unterschreiben und zum Notar bringen müssen.
Nachdem Sie das Erbe ausgeschlagen haben, geht das Erbe an den nächsten in der Reihenfolge weiter, bis schließlich der Staat die Schulden erbt.
Bei einer gesetzlichen Erbreihenfolge erhalten die Hinterbliebenen übrigens keine Benachrichtigung darüber, dass jemand Erbe geworden ist.
Lediglich wenn ein Testament oder Erbvertrag besteht, erhalten die entsprechenden Personen eine Benachrichtigung.
2. Nachlassverwaltung
In vielen Fällen ist der Nachlass sehr unübersichtlich und Sie haben gar keine Vorstellung davon, wie hoch die Schulden und das Vermögen sind.
Das kann insbesondere der Fall sein, wenn Sie zu der verstorbenen Person kein enges Verhältnis gepflegt haben. Das Risiko besteht, dass die geerbten Schulden das vererbte Vermögen übersteigen und Sie mit Ihrem eigenen Geld haften müssen.
In solch einer Situation lohnt es sich, beim Nachlassgericht eine sogenannte Nachlassverwaltung zu beantragen, die dazu führt, dass Sie nicht mehr mit Ihrem Privatvermögen haften.
Das Gericht setzt dann einen Nachlassverwalter ein, der alle Schulden des Verstorbenen mit dem Geld, das vorhanden ist, bezahlt.
Wenn die Schulden das hinterlassene Vermögen übersteigen, müssen Sie nicht mit Ihrem Vermögen aufkommen - es wird ein Nachlassinsolvenzverfahren eingeleitet, mit dem Sie nichts mehr zu tun haben.
Sollte nach der Zahlung aller Schulden Geld übrig bleiben, wird Ihnen dieses ausgezahlt. Der Nachlassverwalter lässt sich zwar etwas kosten - pauschal lässt sich hier kein Preis nennen - bietet aber Sicherheit sowie die Chance, doch noch an Geld zu gelangen.
Sie können die Nachlassverwaltung sogar noch zwei Jahre nach Eintritt der Erbschaft einleiten.
3. Dürftigkeitseinrede
Eine weitere Möglichkeit der Haftungsbeschränkung ist die Dürftigkeitseinrede laut §1990 BGB. Von der Dürftigkeitseinrede können Sie nicht nur Gebrauch machen, wenn der Nachlass überschuldet ist.
Somit darf der Erbe die Einrede erheben, wenn der Nachlass nicht die Kosten eines Nachlassverfahrens decken kann.
Mit der Einrede wird verhindert, dass der Gläubiger auf das private Vermögen des Erben zugreifen kann, um seine Ansprüche zu befriedigen.
Wann lohnt es sich, das Erbe auszuschlagen?
Eine Entscheidung darüber, ob Sie das Erbe antreten oder nicht, sollte immer gut fundiert sein.
Da Sie nur sechs Wochen haben, um eine Entscheidung zu treffen, sollten Sie sich schnellstmöglich einen Überblick über die Vermögensverhältnisse verschaffen. Ansonsten besteht die Gefahr, dass Sie unwissentlich Schulden erben.
In folgenden Situationen lohnt es sich mehr, das Erbe abzulehnen:
Sie erben Schulden: Prüfen Sie die Konten des Verstorbenen und erkundigen Sie sich bei Ämtern nach der Lage. Wenn ausschließlich Schulden hinterlassen werden, ist die logische Konsequenz, das Erbe nicht anzunehmen. Ansonsten droht Ihnen der finanzielle Ruin.
Sie sind bereits überschuldet oder insolvent: Wenn Sie bereits insolvent sind oder dabei sind, finanzielle Rückstände abzubauen, sollten Sie vermeiden, weitere Schulden zu machen. Wenn das Erbe Ihnen nicht ermöglicht, die eigenen Schulden loszuwerden, sollten Sie auch in dieser Situation besser das Erbe ausschlagen.
Sie erben eine sanierungsbedürftige Immobilie: Ein sanierungsbedürftiges Haus kann sich als Kostenfalle erweisen. Besteht der Bedarf einer Modernisierung, können auf den Erben sehr hohe Kosten zukommen. Wenn Sie selbst nicht einziehen möchten, das Haus nicht zu vermieten oder zu verkaufen ist, sollten Sie auch hier mit dem Gedanken spielen, das Erbe nicht anzutreten.
Das müssen Sie beachten, wenn Sie Schulden erben
Der Tod eines Familienmitglieds ist für viele Menschen die schlimmste Nachricht, die man erhalten kann.
Zu erfahren, dass man womöglich auf den Schulden des Ehepartners oder der Eltern nach dem Tod sitzen bleibt, verursacht zusätzlich Stress.
Die gute Nachricht: Es bleiben Ihnen 6 Wochen Zeit, um das Erbe auszuschlagen. Hier sind einige Dinge, die Sie beachten müssen:
1. Beantragung des Erbscheins vermeiden
Sie sollten den Nachlass überprüfen, indem Sie einen Blick auf die Kontoauszüge des Verstorbenen werfen.
Vielleicht sieht die finanzielle Situation ja doch besser aus als gedacht. Einige Banken fordern für die Einsicht in das Konto einen Erbschein.
Laut eines Urteils des BGH besteht keine grundsätzliche Pflicht zur Vorlage eines Erbscheins. Ein Erbvertrag oder ein beglaubigtes Testament reichen auch aus.
Wenn Sie Zweifel haben, raten wir Ihnen, sich an einen Fachanwalt für Erbrecht zu wenden, der Ihnen in dieser Angelegenheit helfen wird.
2. Nachlassverzeichnis erstellen
Erstellen Sie ein Nachlassverzeichnis, also einen Überblick aller Hinterlassenschaften. Nur so sind Sie in der Lage zu ermitteln, ob es sich lohnt, das Erbe anzutreten oder ob Sie am Ende nur Schulden erben.
Stellen Sie das Vermögen des Verstorbenen den Schulden gegenüber. Zum Vermögen gehören neben dem Guthaben auf der Bank auch Wertpapiere, jegliche Gegenstände mit Wert (Kunst, Technik, Einrichtung, Fahrzeuge), Immobilien sowie offene Ansprüche.
Zu den Schulden gehören:
Kredite
Kosten der Bestattung
Steuerschulden
Schulden, die zu Lebzeiten angehäuft wurden.
Häufig gestellte Fragen zum Schuldenerben
Kann man die Erbausschlagung rückgängig machen?
Haben Sie ein Erbe ausgeschlagen, das sich später als wertvoller herausstellt, können Sie unter bestimmten Umständen die Erbausschlagung durch schriftlichen Antrag beim Nachlassgericht anfechten. Die Erfolgsaussichten sind jedoch ungewiss: Bei einem Berechnungsfehler trotz sicherer Informationsgrundlage sind die Chancen gering, während nachträglich erhaltene Informationen, die Ihre Entscheidungsgrundlage als unsicher erscheinen lassen, bessere Aussichten bieten. Bei erheblichen Vermögenswerten empfiehlt sich die Konsultation eines Fachanwalts.
Was passiert mit Schulden, wenn man stirbt?
Nach dem Tod gehen Schulden wie auch Vermögen automatisch auf die nächsten Erben über – üblicherweise Ehepartner oder Kinder, sofern kein Testament andere Regelungen vorsieht. Sie können das gesamte Erbe innerhalb einer sechswöchigen Frist ausschlagen, wodurch es an die nächste Person in der Erbreihenfolge übergeht, bis es letztlich beim Staat landet. Eine Teilannahme ist nicht möglich: Entweder übernehmen Sie das komplette Erbe mit allen Vermögenswerten und Schulden oder schlagen es vollständig aus.
Wie erfahre ich, ob das Erbe überschuldet ist?
Bevor Sie ein Erbe annehmen oder ausschlagen, sollten Sie den Nachlass gründlich prüfen, selbst wenn ein Testament existiert. Untersuchen Sie Kontoauszüge auf Verbindlichkeiten und sprechen Sie mit Verwandten, um relevante Informationen zu sammeln. Bei komplexen Erbfällen kann ein Fachanwalt für Erbrecht helfen, vom erbrechtlichen Auskunftsanspruch Gebrauch zu machen und die rechtlich korrekte Vorgehensweise zu ermitteln. Stellen Sie anschließend Vermögen und Schulden gegenüber, um zu beurteilen, ob der Nachlass überschuldet ist und eine Ausschlagung sinnvoll wäre.
Wer muss das Erbe ausschlagen?
Das Bürgerliche Gesetzbuch bestimmt den berufenen Erben – basierend auf gesetzlicher Erbfolge oder Testament – als verantwortlich für die Ausschlagung eines überschuldeten Erbes. Üblicherweise sind Ehegatten oder Kinder als Erben erster Ordnung betroffen; lehnen diese ab, geht der Nachlass an die nächste Person in der Erbfolge über, bis letztendlich der Staat erbt.
Wichtig: Eltern, die ein Erbe ausschlagen, sollten beim Notar gleichzeitig die Ausschlagung für ihre minderjährigen Kinder beantragen, um zu verhindern, dass diese automatisch in die Erbenstellung rücken.
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